Mittwoch, 6. Oktober 2010

Clarice Lispector: "Liebe" Teil IV

Das Stricknetz war rau zwischen den Fingern, nicht fein wie als sie es gestrickt hatte. Das Netz hatte seinen Sinn verloren und in einer Straßenbahn zu sein, war gefährlich; sie wusste nicht, was sie mit den Einkäufen auf ihrem Schoß machen sollte. Und wie eine seltsame Musik, fing die Welt um sie herum wieder an. Das Unheil war geschehen. Warum? Hatte sie vergessen, dass es Blinde gab? Das Mittleid erstickte sie, Ana atmete schwer.

Selbst die Dinge, die vor dem Ereignis existierten waren nun auf der Hut, hatten etwas Feindlicheres, Verderblicheres... Die Welt war erneut zu einem Unwohlsein geworden. Mehrere Jahre fielen ein, das Eigelb lief. Sie war aus ihren eigenen Tagen verwiesen worden, es kam ihr fuhr, als schwankten die Personen auf der Straße, als hielten sie sich mit einem minimalen Gleichgewicht an der Oberfläche der Dunkelheit - und für einen Moment ließ die Sinnlosigkeit sie so frei, dass sie nicht wussten, wohin sie gehen sollten. Eine Gesetzlosigkeit zu bemerken war geschah so plötzlich, dass Ana sich an die Vorderbank klammerte, als könne sie aus der Straßenbahn fallen, als könnten die Dinge genau so ruhig umgedreht werden, wie sie gerade nicht ruhig waren.

Was sie Krise nannte, kam schließlich. Und ihre Spur war das intensive Vergnügen, mit dem sie nun die Dinge ansah, erstaunt leidend. Die Hitze war schwüler geworden, Alles hatte an Stärke und lauteren Stimmen gewonnen. In der Rua Voluntários da Pátria schien eine Revolution kurz davor zu sein, auszubrechen, die Gullis waren trocken, die Luft staubig. Der Kaugummi kauhende Blinde hatte die Welt in dunkle Begierde getaucht. In jeder starken Person fehlte das Mitleid für den Blinden und die Personen erschreckten sie durch die Kraft, die sie besaßen.

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