Mittwoch, 8. September 2010

Clarice Lispector: "Liebe" - Teil I

Etwas erschöpft stieg Ana in die Straßenbahn. Die Einkäufe beulten die neue Stricktasche aus. Sie setzte die Last auf dem Schoß ab und die Straßenbahn fuhr los. Nun lehnte sie sich an die Bank, suchte, mit einem halb zufriedenen Seufzer, nach einer bequemen Sitzhaltung.

Anas Kinder waren brav, eine wahre und saftige Sache.
Sie wuchsen, duschten, verlangten für sich, ungezogener Weise, immer vollkommenere Momente. Die Küche war geräumig, der zerbeulte Herd bollerte. Die Hitze war stark in der Wohnung, die sie allmählich abzahlten.

Aber der Wind, der gegen die Vorhänge schlug, die sie selbst zugeschnitten hatte, erinnerte sie daran, dass sie, wenn sie wollte, anhalten und sich die Stirn abtupfen konnte, den ruhigen Horizont betrachtend. Wie ein Feldarbeiter. Sie hatte die Samen, die sie in der Hand hatte, gepflanzt, andere nicht, sondern nur die. Und es wuchsen Bäume. Es wuchs ihre kurze Unterhaltung mit dem Stromableser, es wuchs das Wasser, das das Becken füllte, es wuchsen die Kinder, es wuchs der Esstisch, ihr Ehemann, der mit den Zeitungen und vor Hunger lächelnd nach Hause kam, der lästige Gesang der Hausangestellten. Ana gab Allem, gelassen, ihre kleine und starke Hand, ihren Lebenssaft.

Jene bestimmte Nachmittagsstunde war gefährlicher. Zu jener bestimmten Nachmittagsstunde lachten sie die Bäume, die sie gepflanzt hatte, aus. Wenn Nichts mehr ihre Kraft brauchte, wurde sie unruhig. Dennoch fühlte sie sich solider, ihr Körper hatte etwas an Fülle gewonnen, und man sah es an der Art wie sie T-Shirts für die Kinder zuschnitt, wobei die große Schere durch das Gewebe knackte. Ihr ganzes vage künstlerisches Verlangen war seit langem darauf gerichtet, die Tage erfüllt und schön werden zu lassen; mit der Zeit hatte sich ihr Geschmack für Dekoratives entwickelt und die intime Unordnung ersetzt. Sie schien entdeckt zu haben, dass Alles verbesserungswürdig war, man jeder Sache eine harmonische Erscheinung verleihen könnte; das Leben war machbar durch Menschenhand.

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